Der Mörder und sein Dorf
Nele Neuhaus - Schneewittchen muss sterben
- Broschiert: 537 Seiten
- Verlag: List Tb. (11. Juni 2010)
- ISBN-10: 3548609821
- ISBN-13: 978-3548609829
Die Autorin:
Nele Neuhaus (*1967 in Münster/Westfalen) zog mit ihrer Familie als Teenager in den Taunus, wo auch die Handlung ihrer Krimiserie um das Ermittlerduo Oliver von Bodenstein und Pia Kirchhoff spielt. Schneewittchen muss sterben ist bereits der vierte Roman der Serie. Nele Neuhaus studierte Germanistik und Jura und leitet hauptberuflich zusammen mit ihrem Mann den familieneigenen Betrieb.
Mein Eindruck:
Mädchenmörder Tobias hat seine zehnjährige Strafe verbüßt und kehrt zurück in sein Heimatdorf Altenhain im Taunus. Das Dorf, wo nicht nur sein Vater ein Leben am Rande der Existenz führt, zerstört durch die Verurteilung seines Sohnes, sondern wo auch die Eltern eines der beiden Opfer leben. Doch Tobias will den damaligen Mordfall aufklären. Hat er wirklich selbst im Rausch seine Freundinnen getötet oder steckt da etwas anderes dahinter?
Auch die neu dazugezogene Teenager-Rebellin Amelie interessiert sich für den elf Jahre zurückliegenden Mordfall in dem von ihr verhassten Dorf. Endlich etwas spannendes erleben zu wollen in diesem Kaff, vielleicht gar mit dem vermeintlichen Mörder in Kontakt treten - ob der erwünschte Nervenkitzel nicht die 17-jährige selbst in Gefahr bringen wird?
Ein Leichenfund auf einem verlassenen Flughafengelände lässt schließlich auch die Kriminalpolizei diesen scheinbar aufgeklärten alten Fall neu aufrollen.
Doch auf der anderen Seite steht das Dorf. Wird der wahre Mörder von der verschwiegenen Dorfgemeinde gedeckt? Oder war es am Ende doch Tobias ganz alleine, der am Doppelmord schuld ist und zurecht von den Dorfbewohnern gehasst wird; kann man einen derartigen Rausch haben, dass ein schreckliches Blutbad im Nirvana des Filmrisses verschwindet?
Nele Neuhaus baut die Spannung gleich in mehreren Handlungssträngen auf und hält diese durch den ganzen Roman hindurch konstant hoch. Doch an manchen Stellen scheint sich die Autorin selbst zu verhaken, indem sie an zuvielen Fäden gleichzeitig zieht. So erfährt der Leser nach und nach, dass so ziemlich jeder in Altenhain, selbst der Dorfdepp, irgendwie in die Geschichte verwickelt ist. Dadurch verliert der Fall etwas an Glaubwürdigkeit.
Doch dies macht Nele Neuhaus jedoch mit ihrem hervorragenden Schreibstil wieder gut. Die Ortbeschreibungen, so genau, als würde man selbst im kleinen Dorf in Taunus stehen, ein Hauch Lokalkolorit durch die dialektisch geprägten Dialoge und die durchgehende klare Linie der Handlung trotz der vielen Charaktere, die dem Leser im Laufe des Romans begegnen, machen "Schneewittchen muss sterben" zu einem wirklich gelungenen, spannenden und mitreißenden Heimat-Krimi.
Auch die Liebe der Autorin zu Details und scheinbar unwichtigen Nebenhandlungen macht den Roman zu einer einzigartigen Lektüre. Der vermeintliche Mörder Tobias soll vom Leser nicht als brutaler, seelenloser Ex-Knacki angesehen werden, was durch die Beschreibung des verwahrlosten Elternhofes sowie auch der kaputten Familie unterstrichen wird. Die Kriminalpolizisten jagen nicht 24 Stunden am Tag Verbrecher, sondern haben auch ein Privatleben, das mit angedrohten Hausabrissen oder aufgeflogenen Seitensprüngen nicht weniger spannend und anstrengend ist als deren Job.
Auch hier könnte man an manchen Stellen jedoch meinen, die eigentliche Handlung würde durch solche Einschübe gesprengt werden. Beispielsweise das zerrüttete Familienleben des Hauptkommissars Bodenstein, dem im Gesamtverlauf viel Aufmerksamkeit in längeren Passagen gewidmet wird, das aber mit dem eigentlichen Fall nichts zu tun hat, außer dass der Ermittler manchmal zu sehr neben sich steht.
Doch wenn man bedenkt dass das kein einziges Buch der Autorin ist, sondern zu einer Serie um die beiden Kommissare Oliver von Bodenstein und Pia Kirchhoff gehört, ist es nachvollziehbar und gar begrüßenswert, auch das Dasein der Ermittler zu beleuchten.
"Schneewittchen muss sterben" war der erste Roman von Nele Neuhaus, den ich in den Händen hielt - wird aber sicherlich nicht der letzte bleiben.
Meine Bewertung:
(von fünf)